Gesund. Welches Lebensmittel das wir kaufen können behauptet das nicht von sich. Es wäre auch verdammt komisch, würden wir sagen, dass ein Lebensmittel was gekauft werden soll, krank machen würde. Mittlerweile gibt es immer mehr dieser ‚gesunden‘ Lebensmittel, seien es nun Joghurts mit extra-tollen Bakterien oder Wasser mit Vitaminen. Neu sind allerdings die „Grünen Smoothies“, also pürierte Früchte gemischt mit Gemüse und grünen Blättern jeglicher Art. Das kann Löwenzahn sein, aber auch Kräuter, Spinat, Salat und die Blätter handelsüblichen Gemüses wie Brokkoli, Möhren und so weiter. Hauptsache Grün.
Die Anbieter der grünen Smoothies versprechen das Blaue vom Himmel. Die grünen Blätter seien antibakteriell, antiviral, antitumorigen und toll für die Darmflora und so weiter. Eigentlich gibt es nichts, was sie nicht können. Und eventuell ist das auch gar nicht so falsch. Wenn ich 20 Pflanzen mit tausenden Bestandteilen zusammenwerfe wäre ich schwer verwundert wenn nicht ein paar Bestandteile irgendeine Wirkung haben. Allerdings kommen sie in solchen Mixturen viel zu gering vor. Gleichzeitig wird es auch Stoffe geben, die gegenteilige Wirkung haben. Mein persönliches Credo bei solchen Alleskönnern ist übrigens, dass je mehr angebliche Wirkungen es haben soll desto weniger Wahres ist dran. Aber schauen wir uns das Ganze mal genauer an.
Grün, Grün, Grün sind alle meine Blätter
Einer der angeblich wichtigsten „Wirkstoffe“ im Grünen Smoothie soll das Chlorophyll (E140) sein. Wir kennen Chlorophyll alle als den grünen Blattfarbstoff und haben ihn spätestens nach der 6. Klasse Biologie vergessen. Chlorophyll, so sagen die Verfechter der Grünen Smoothies, ist dem Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff, sehr ähnlich und deswegen wichtig für die Blutbildung. Das ist aber absoluter Quatsch. Zum einen besteht die Ähnlichkeit nicht zum Hämoglobin, sondern zum Hämin, nur einem kleinen Teil des Moleküls. Zum anderen wird die Art und Weise wie Chlorophyll sich denn zum Hämin wandeln soll nirgends besprochen. Chlorophyll absorbiert in den Pflanzen Sonnenlicht und ist für die Photosynthese wichtig. Wir Menschen binden mit unserem Hämoglobin aber Sauerstoff und betreiben keine Photosynthese. Während es vielleicht möglich ist, einige Vorstufen von Chlorophyll in unserem Körper zu Hämin zu verarbeiten (dann muss das Chlorophyll aber irgendwie ins Knochenmark gelangen wo die roten Blutkörperchen gebildet werden) finde ich nichts dazu, dass man Chlorophyll einfach Umbauen könnte. Das wäre natürlich toll, dann müsste ich nicht dauernd Blutspenden gehen. Der Nutzen von Chlorophyll in der Nahrung ist also sehr zweifelhaft.
Mehr oder weniger Ballast?
Des Weiteren enthalten Grüne Smoothies tatsächlich viele Ballaststoffe. Ballaststoff ist ein Oberbegriff für faserige, unverdauliche Stoffe wie Cellulose oder Dextrine. Sie haben in unserer Ernährung nur einen Sinn: Im Darm aufquellen und die Passage des Stuhls erleichtern. Dabei sind Ballaststoffe Bestandteil der ganz normalen Ernährung: Getreide wie Roggen, Weizen Hafer; Gemüse wie Kohl und Salat und auch Kartoffeln, einige Obstsorten und Nüsse sind reich an Ballaststoffen. Wer also nur ein bisschen darauf achtet muss also nicht nachhelfen. Dabei ist es ratsam, auf die Trinkmenge zu achten, denn die Ballaststoffe benötigen Flüssigkeit zum Quellen. Sinnvoll sind die Ballaststoffe eher als Füllmaterial, über krebsvorbeugende oder cholesterinsenkende Wirkungen ist man sich bislang uneins.
Süßkram
Vor ein paar Jahren sagten meine Freundinnen zu mir, sie wüssten ja, dass der Trinkjoghurt zur Verbesserung der Abwehrkräfte nicht wirkt, aber er würde eben soooo gut schmecken. Auch der Joghurt zur Regulation der Verdauung sei halt einfach lecker. Jetzt sagen mir die Grünen Smoothie Verfechter, dass ihnen das Gesöff eben gut schmeckt. Alle drei Lebensmittel haben jedoch eins gemeinsam: Sie sind einfach reich an Zucker. Es ist also kein Wunder, dass sie uns gut schmecken. Ein typischer „Abwehraktivierender Trinkjoghurt“ hat um die 11 Gramm Zucker auf 100 ml, der Verdauungsoptimierjoghurt kommt auf etwa 13 Gramm. Die Grünen Smoothies halten da ziemlich genau mit (alle Daten von fddb.de). Das sind 10 % Zucker, genauso viel wie Coca Cola. Zunächst einmal ist Zucker natürlich nichts Schlimmes. Er liefert Energie. Aber der versteckte Zucker in unseren Lebensmitteln ist mit ein Grund, weswegen wir den Kaloriengehalt unserer Nahrung unterschätzen und zu viele Kalorien konsumieren. Die Folge davon ist Übergewicht. Weil Flüssigkeiten wenig Sättigungspotential haben, werden wir trotz der hohen Kalorienaufnahme wohl trotzdem genau so viel essen wie ohne Smoothie. Zuviel Zucker sorgt auch dafür, dass unser Insulinspiegel schnell ansteigt, damit Glucose in die Zellen strömen kann (das ist wichtig und gut). Damit ist aber aller Zucker weg und wir bekommen wieder Lust auf Süßes.
So könnte man Grüne Smoothies eigentlich zu den Süßigkeiten stellen.
Aber, aber die Vitamine!
Die Hersteller der Smoothies sowie diverse Blogs preisen auch den hohen Mikronährstoffgehalt ihrer Produkte an. Mikronährstoffe sind Vitamine und Mineralien die unser Körper zum Funktionieren benötigt. Allerdings gibt es in Deutschland bislang keine Probleme, genug davon aufzunehmen, auch mit weniger optimalen Ernährungsweisen. Wer also keine besondere Ernährungsform verfolgt, nicht chronisch krank ist, schwanger ist oder einer besonderen Belastung unterliegt kann seinen Bedarf an Mikronährstoffen für gewöhnlich decken. Die vielumworbenen Antioxidantien, die die Smoothies enthalten sollen, finden sich auch meistens als E-Nummern in unserem Essen. Vitamin C verbirgt sich hinter E300, E160a ist Beta-Carotin (pro-Vitamin A), E306-308 beschreibt E-Vitamine und E101 Vitamin B2.
Viel hilft dabei leider nicht viel. Das zu viele Vitamine auch schädlich sein können hat sich mittlerweile hoffentlich rumgesprochen. Auch andere Mikronährstoffe wie Mineralien brauchen wir nicht in höherer Dosierung zu uns zu nehmen. Überflüssiges wird eben einfach (mit den vielen Ballaststoffen) ausgeschieden.

Nach dieser leckeren Currywurst mit Pommes habe ich die Berliner Museen gestürmt, anstatt mich schuldig zu fühlen.
Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben – der moderne Ablasshandel
Ein weiteres Argument auf vielen grünen Smoothie Webseiten ist, dass wir in unserem modernen Leben keine Zeit mehr haben, gesund zu essen. Geschweige denn, lange genug zu kauen um all das freizusetzen was wir an Nährstoffen benötigen. Die These, dass wir uns ‚ungesund‘ ernähren ist in etwa genauso schwierig zu beweisen, wie das Smoothies ‚gesund‘ sind. Denn dazu müsste man eigentlich erst einmal definieren, was überhaupt ‚gesund‘ bedeutet. Bei dem Wort ‚gesund‘ denken viele an Obst und Gemüse, vielleicht an Müsli, mageres Fleisch und Fisch den wir an einem Tisch mit weißer Tischdecke verspeisen. Bei ‚ungesund‘ an Burger, fette Pommes mit Mayo und Döner, die wir uns anonymisiert beim Fastfoodlokal reinstopfen. Aber was davon hat gerade wirklich das Wasser in eurem Munde zusammenlaufen lassen? Ich bin ehrlich, ich mag Burger und Pommes und die Lahmacun von meiner Lieblingsdönerbude hat mir so manchen Arbeitssamstag etwas schmackhafter gemacht. Wir schämen uns aber, das zuzugeben. Insgeheim wissen wir, dass das nicht gut ist, was wir da essen. Das müssen wir wieder gut machen, unseren Körper ‚entgiften‘ und ihm etwas Gutes tun. Das Problem an meiner geliebten Lahmacun ist aber nicht, dass sie keine Vitamine und Mikronährstoffe hätte. Die hat sie sehr wohl. Nur ist die Dichte der Kalorien sehr hoch. Für relativ wenig Gewicht und Sättigung muss man mit etwa 900 Kilokalorien rechnen – das ist aber nur dann nicht gesund, wenn ich über einen langen Zeitraum meine restliche Ernährung nicht daran anpasse.
Gesund oder ungesund sind also nicht die Lebensmittel selbst – sondern ihre Summe. Schütte ich aber auf meinen hochkalorischen Lebenswandel nochmal 150 Kilokalorien extra habe ich nun wirklich nichts gewonnen.
Passt perfekt zu unserem Lebensstil des Büßen wollens
Smoothies im Allgemeinen aber vor allem die als so gesund proklamierten Grünen Smoothies bieten ernährungstechnisch keine Vorteile. Die einzige messbare positive Wirkung entfalten sie in der Kasse der Hersteller – die Kompost zu Geld machen. Grüne Smoothies sind Süßigkeiten, wer sie wegen des Geschmacks gerne trinkt sollte sich dessen bewusst sein. Hätten wir eine Lebensmittelampel, so stünde sie bei Grünen Smoothies für Zucker auf Rot. Unseren Lebenswandel des Überflusses mit einem weiteren Produkt zu bereichern, das all unsere ‚Ernährungssünden‘ wieder gut macht ist einfach nur ein gutes Marketingkonzept nach Johann Tetzel.
Source: 1ife5cience